Weihnachtszeit 1965: Kaltenkirchens Pastor Karl August Döring, der Journalist Franz Ahrens und Sergiusz Jaskiewicz, ehemaliger polnischer Häftling im KZ-Außenkommando in Springhirsch, suchen nach Spuren aus der Vergangenheit. Döring befragt die Gastwirtin in Heidkaten besorgt nach ihren Hämorrhoiden und erwähnt beiläufig auch das Lager. Die Frau verplappert sich: „Dat weer glieks achterrüm, dor is een lütte Kaffebod mit Astra-Bier. Glieks dor achter is dat ween“.
Mit dieser List finden sie den grauenvollen Ort. Die Gruppe stößt in Kaltenkirchen auf eine Mauer des Schweigens. Dort reagieren die Menschen mit Unverständnis und wollen nichts gewusst haben. Der Konditormeister im Café verzieht keine Miene und äußert sich unberührt über den Ex-Häftling: „So kommt er also durch die Welt. Jetzt sieht er sich also Deutschland an.“ Pastor Döring fühlt sich „verstrickt in Schuld“ und hofft: „Es wächst kein Gras darüber.“
Erst 1974 stellt Artur Bindheim als Leiter der „Historischen Arbeitsgruppe“ erste Fragen zur NS-Vergangenheit. Döring hat Kaltenkirchen inzwischen verlassen und schreibt Bindheim 1975 verbittert: „In dieser funkelnden und lebensvollen Kleinstadt begegnete man der leidvollen Geschichte mit kalter, ja eisiger Gleichgültigkeit.“ Döring zieht daher folgenden Schluss: „Ich kann keinen Nutzen darin erblicken, das Schweigen, zu dem ich verpflichtet bin, zu brechen.“
Gerhard Hoch hat dann gegen viele Widerstände die örtliche NS-Geschichte umfassend aufgearbeitet und damit die Mauern des Schweigens durchbrochen. Die Evangelische Kirchengemeinde hat dazu noch lange gebraucht, bekennt sich aber jetzt rückhaltlos zu ihrer eigenen Geschichte.
Dr. Gerhard Braas