Dr. Gerhard Braas
Kirchengeschichte(n): Der nackte Turm
Der alte Wehrturm unserer Kirche wurde mit Natursteinen gebaut und war seit dem Mittelalter Zufluchtsort in Zeiten von Krieg und Not. Er bekam 1656 einen Gipsbelag vom Segeberger Kalkberg und wurde außen mit roten Ziegeln verkleidet. Im Sommer 1973 zeigten sich gefährliche Risse im Mauerwerk, einige Steine waren lose und das Dachgebälk war morsch. Bei jedem Glockenschlag geriet die Turmspitze in stärkere Schwingungen. „600 Jahre alter Turm in Gefahr“ und „Die Glocken dürfen nicht mehr läuten“ titelte die Heimatpresse voller Sorge.
Das Mauerwerk um den alten Feldsteinturm musste daher Stein für Stein abgetragen und erneuert werden. Um den Spitzturm abzustützen, musste eine Betonplatte zwischen dem steinernen Aufbau und dem Schieferdach eingezogen werden. Dänische Ziegeleien lieferten 88.749 rote Klinkersteine, die für neuen Halt sorgen sollten. Die 80 Kubikmeter Stein lagerten zunächst auf dem Kirchhof.
Fünf Monate sollte die Renovierung dauern, es wurden fast eineinhalb Jahre. Nach dem Entfernen der Mauerverkleidung war der alte Turm mit dem Gipsverputz weithin sichtbar. Das nackte Bauwerk wurde dann nach und nach wieder mit den roten Steinen verkleidet. Aus Sicherheitsgründen blieben die Glocken während der Restaurierung stumm und der Haupteingang war gesperrt.
Vor fünfzig Jahren, rechtzeitig zur Adventszeit 1974, war der neue Turm fertig. Zur Einweihung fand ein Festgottesdienst statt, zu dem der Schmalfelder Posaunenchor musikalische Beiträge blies. „Wuchtiger und schöner denn je“, so beschrieb Lokalreporter Heinz Friedrich Kamecke den neuen Turm voller Begeisterung. Die Metallziffern mit der Jahreszahl „1656“ schmückten ihn erneut und sind nicht durch das Jahr der Erneuerung ersetzt worden. Im Ziegelkleid zeigen sich heute kleinere Risse – gefährlich sind sie nicht.